„Gott to go“

Gerald Friesen Dueck

Der Initiator der Kirche auf Rädern

Jeder kannte ihn nur als „Gerry“. Er gründete in Meißen die Heilsarmee und startete das Projekt „Kirche auf Rädern“, in dem er sich als Projektleiter und Seelsorger engagierte. Am 28. Juli 2017 wurde ein ungewöhnliches Leben in dieser Welt beendet.

Es begann am 27. September 1949 in dem kanadischen Städtchen Morris im Bundesstaat Manitoba. Aufgewachsen ist Gerry aber im mennonitischen Dorf Rosenhoff, wo er auch zur Schule ging. Seine Muttersprache war Plattdeutsch. Er studierte in Winnipeg die Hauptfächer „Englische Literatur“ und „Geschichte“ und die  Nebenfächern Soziologie, Philosophie, Religion und Psychologie. Bevor er seine Berufung entdeckte, versuchte er sich auf anderen Feldern. So gründete er den „Lamplighter Book & Record Shop“ (Buch- und Musikgeschäft) in Beausejour, Manitoba. Gemeinsam mit seinem Onkel und seinem Bruder betrieb er recht erfolgreich von 1973 bis 1994 dieses Geschäft mit erweitertem Sortiment. Es ließ ihm genügend Freizeit, insgesamt 55 (!) Länder zu bereisen – Gerry war ein echter Globetrotter. 1983 traf Gerry in Mexico seine Frau Blanca, die er 1985 geheiratete.

Das Jahr 1984 sah er als seine persönliche Wende. Er begegnete erstmals der Heilsarmee und ihrer diakonischen Arbeit. Nun war ihm klar, daß er den Glauben tatkräftig ausleben wollte: „Ich will nicht nur für Geld und Geschäfte meine Kräfte einsetzen, ich will Gott und den Menschen dienen.“ 1987 nahm Gerry das Angebot eines Missionswerkes an und gründete in Caaguazú, Paraguay, eine kleine Schule für Missionarskinder.

Um gut auf den Eintritt in den Heilsarmee-Dienst vorbereitet zu sein, absolvierte Gerry noch ein Theologie-Studium an der „Providence Seminary“ Universität in Otterburne, Manitoba. Nachdem er seine Beteiligung an dem gemeinsamen Geschäft mit seinem Onkel verkauft hatte, begann dann am 23. Juli 1993 ein ganz neues Kapitel in seinem Leben. Blanca und Gerry traten in Hannover ihren Dienst als Heilsarmee-Offiziere an.

Ab 1994 leitete Gerry in Hannover das Heilsarmee Heim für Aussiedler. 2001 übernahmen Blanca und Gerry eine neue Aufgabe: Die Gründung des Heilsarmee-Korps“ im Meißner Triebischtal.  Schnell gewann Gerry mit seiner offenen, umgänglichen und zugewandten Art das Vertrauen der Besucher des Heilsarmeehauses. Wenn er die Benachteiligten und Alleinstehenden am Heiligen Abend zum Feiern einlud, drängten sich mehr als hundert Menschen im Versammlungsraum der Heilsarmee, wurden beschenkt und umsorgt. Gerry lehnte niemanden ab und belehrte niemanden. Keiner wurde von Gerry bedrängt, fromm zu werden. Er lebte in der Nachfolge Christi ein frohes Glaubensleben vor. Allein das überzeugte. Es war auch ganz selbstverständlich, ihn im Gottesdienst beispielsweise in der Sankt-Afra-Kirche zu treffen. Am Rande des evangelischen Kirchentages im Juni 2011 wurde Gerry in den Stand der Kreuzpfadfinder der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands aufgenommen. Bis zum Schluß begleitete er die Meißner Pfadfinderinnen und Pfadfinder seelsorgerisch und leitete einen Bibelkreis mit Pfadfindern und Helfern der „Kirche auf Rädern“. Während einer beruflichen Erholungspause hatte Gerry eine ganz neue Idee: Wenn die Leute nicht zur Kirche gehen, warum sollte die Kirche nicht zu ihnen kommen?

2012 wurde in kleiner Runde getüftelt und geplant. 2013 startete das neue Projekt dann mit dem Baubeginn der „Kirche auf Rädern“ (KAR). Träger sind der Meißner „Lebensfahrten“ e.V., die Heilsarmee ist Kooperationspartner. 2013 brach Gerry von Meißen aus zu den ersten Fahrten mit einem „Kirchenmobil“ auf.

Seither werden in Meißen und  Umgebung, ausgehend von der Pfadfinderküche in der Bahnhofstraße 2, gekennzeichnete Treffpunkte angefahren. Dort gibt es Essen und Gespräche. Oder wie Gerry es unbekümmert nannte: “Gott to go“. Jede Woche war er seither unterwegs in Meißen und nach Großenhain, Oschatz, Freiberg, Freital und Coswig. Schon bald sammelte sich auch das Helfer-Team um ihn. Und wie bei seinen früheren Engagements bildete sich um ihn wieder eine Gemeinde von Freunden, Vertrauten und Helfern.

Vielen war er verläßlicher persönlicher Freund, nachdenklicher, zugewandter Gesprächspartner und vor allem stets fröhlich glaubender Christ. Zwei Kinder hat er auf den Weg in die Welt gebracht und bis zum Schluß seine Frau bei all seinen Unternehmungen an seiner Seite gewußt.

Am 28. Juli 2017 ging Gerry auf seine letzte, größte Fahrt. Der Herr holte ihn bei einem Besuch in München heim. Am 12. August 2017 wurde seine Urne nach einem bewegenden ökumenischen Gottesdienst in der Sankt Afra Kirche auf dem Sankt Wolfgang Friedhof unter großer Anteilnahme beigesetzt.